GG_Logo

 

Aktuelle Strategien in der Diabetestherapie

 

 

In Deutschland sind ca. sechs Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, davon 95 Prozent an Typ-2-Diabetes. Zusätzlich kommt aber zu jeder bekannten Person mit Diabetes ein bis dahin unbekannter Fall hinzu. Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) leiden 20 bis 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung im mittleren und höheren Lebensalter am Metabolischen Syndrom. Dazu zählt man Typ-2-Diabetes, Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck. Weltweit werden diese Zahlen weiterhin stark ansteigen. Welche Strategien können wirksam sein? Das war das Thema beim Grünwalder Gespräch im Dezember 2006.

 

„Nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes ist der erste Schritt eine Veränderung der Lebensweise durch gesteigerte Bewegung und Gewichtsreduktion“, so Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Chefärztin III. Medizinischen Abteilung, Klinikum Bogenhausen, München. „Sind diese Maßnahmen erfolglos, folgt eine Therapie mit oralen Antidiabetika. Sollte diese nicht ausreichend sein, ist auch für den Patienten mit Typ-2-Diabetes eine Insulintherapie notwendig.“

 

Leider wird der Einstieg in eine notwendige Insulintherapie nicht selten verzögert, weil sowohl vonseiten der Patienten als auch der Ärzte Ängste und Vorbehalte bestehen. Der Patient fühlt sich durch die Insulintherapie „bedroht“ und von der Vorstellung, nun immer von der Spritze abhängig zu sein. Viele scheuen die Selbstinjektion, die insbesondere mehrfach täglich als lästig empfunden wird. In der Konsequenz gibt es viele Patienten mit drei oralen Antidiabetika, die an den Symptomen eines chronischen Insulinmangels leiden.

 

Die Verfügbarkeit von inhalativem Insulin stellt eine neue Behandlungsoption bei Typ-2-Diabetes da. EXUBERA® (Pfizer Pharma GmbH) hat als bisher einziges System im Mai 2006 die Zulassung für die Therapie beim Menschen erhalten. Insulin wird in eine Pulverform von Partikeln mit einer Größe von 3 µm gebracht und in Blister verpackt. Für die Anwendung wird ein mechanisches Insulin-Inhalationsgerät verwendet. Die Rauchwolke wird vom Patienten mit einem langsamen, tiefen Atemzug eingeatmet. Die insulinhaltigen Partikel gelangen bis in die Alveolen, von wo aus sie in die Blutbahn aufgenommen werden.

 

In umfangreichen Studien mit EXUBERA bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, allein als prandiales Insulin oder in Kombination mit einem Langzeitinsulin oder oralen Antidiabetika gegeben, wurde eine deutliche Verbesserung der Blutzuckereinstellung im Vergleich zu Kontrollgruppen aufgezeigt. Auch die Lebensqualität und die Therapiezufriedenheit wurden als deutlich verbessert beschrieben.

 

Vorteile der pulmonalen Insulinapplikation sind:

 

 

  

An Phase-II- und Phase-III-Studien haben über 3500 Patienten teilgenommen. Alle Studien bestätigen die Wirksamkeit von EXUBERA bezüglich der Langzeit-Blutzuckerkontrolle (HbA1c). Bei allen Phase-III- Studien zeigte sich eine verbesserte Nüchternglukose mit inhalativem Insulin (vs. einer s.c. Insulinbehandlung). Die postprandiale Blutzuckerkontrolle war mit EXUBERA vergleichbar besser als mit s.c. Insulin oder oralen Antidiabetika.

 

Die häufigsten gemeldeten unerwünschten Ereignisse in den klinischen Studien waren: Hypoglykämie, Husten (kurzfristig nach der Inhalation, überwiegend milder Reizhusten, mit der Zeit abnehmend) und Atemnot (häufiger als bei den Vergleichstherapien, in der Mehrzahl gering bis mittelgradig, Anzahl der Therapieabbrüche wegen Atemnot war in den Studienarmen vergleichbar). Die Antikörperbildung findet man bei allen Formen der Insulinapplikation, die Antikörperbildung unter EXUBERA war ohne klinische Relevanz.

 

Für Raucher ist EXUBERA nur geeignet, wenn sie mindestens sechs Monate vor dem Beginn der Therapie aufhören. Für Menschen mit schlecht kontrolliertem, instabilem oder schwerem Asthma und solchen, die an schwerer, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung leiden, ist EXUBERA ebenfalls nicht geeignet.

 

 

Lipidmanagement bei Diabetes mellitus

„In einer Vielzahl von großen Interventionsstudien konnte belegt werden, dass eine Behandlung mit Statinen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduziert. Dies konnte im Rahmen der CARDS-Studie (Collaborative Atorvastatin Diabetes Study) sehr eindrucksvoll bei Personen mit Diabetes Typ 2, die ein hohes Risiko für Gefäßkomplikationen haben, gezeigt werden“, so Professor Dr. Stephan Martin, leitender Oberarzt, Deutsches Diabeteszentrum, Düsseldorf. Der therapeutische Effekt wird primär durch die Senkung des LDL-Cholesterins durch das Enzym 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl Coenzym A (HMG-CoA) Reduktase erklärt, das wesentlich an der Cholesterinsynthese beteiligt ist. Jedoch haben sich aus klinischen Studien wie auch in experimentellen Untersuchungen eine Vielzahl an Hinweisen ergeben,

dass Statine eine immunmodulierende Wirkung haben.

 

 

 

Zur Zeit wird am Deutschen Diabetes-Zentrum eine Interventionsstudie bei neu manifestem Typ-1-Diabetes durchgeführt. Ziel dieser Intervention ist die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Insulinsekretion durch eine Atorvastatinbehandlung (Sortis®, Pfizer Pharma GmbH) zu schützen. Der residuellen Insulinproduktion kommt eine besondere Bedeutung zu, denn wie in Analysen der DCCT-Studie (Diabetes Control and Complications-Trial) belegt werden konnte, haben Patienten mit einer höheren eigenen Insulinproduktion signifikant geringere Raten an Hypoglykämien und diabetischen Spätkomplikationen.

 

Die DIATOR-Studie (Diabetesintervention mit Atorvastatin) wird zusammen mit dem Stoffwechselforschungsinstitut Profil in Neuss durchgeführt. Diese übernehmen die Koordination der Studie und das Monitoring. Es werden Patienten innerhalb der ersten 12 Wochen nach Beginn der Insulintherapie eingeschlossen, die im Altersbereich >18 Jahre und <40 Jahre liegen. Zusätzlich muss einer der Typ-1-Diabetes-assoziierten Antikörper (ICA, GAD, IA-2) positiv sein. Die Patienten werden in dieser randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studie mit 80 mg Atorvastatin oder einem entsprechenden Plazebopräparat behandelt. Es handelt sich um eine multizentrische Studie, die an verschiedenen Zentren in Deutschland durchgeführt wird. Primärer Zielparameter ist der Erhalt der Insulinproduktion nach 18-monatiger Therapie, gemessen nach einer Testmahlzeit. Aktuell sind über 70 Personen mit Typ-1-Diabetes in diese Studie eingeschlossen.

 

Zusammenfassung:

„Mit der Einführung von inhalativem Insulin gehört das Vorurteil, dass Insulin die letzte therapeutische Option ist, wenn alles andere versagt, der Vergangenheit an. Nach einem halben Jahr Praxiserfahrung lässt sich feststellen, dass der Einsatz von inhalativem Insulin helfen könnte, die Qualität der Blutzuckereinstellung bei Menschen mit Diabetes, die eine Insulintherapie nicht umsetzen können/wollen, zu verbessern“, fasste Professor Schumm-Draeger zusammen.

 

 

„Sollte die DIATOR-Studie erfolgreich sein, würde nicht nur die immunmediierte Zerstörung der Langerhans’schen Inseln, sondern auch die Entwicklung von makrovaskulären Folgekomplikationen verhindert werden können“, so Martin.

 

Beide Therapieoptionen werden helfen, den Diabetes-Typ-1 und Typ-2 in den Griff zu bekommen und die so gefährlichen Spätkomplikationen zu vermeiden.

 

 

Grünwald, im Dezember 2006

 

 

 

Quellen:

Rathmann et al., 2003

EXUBERA-Fachinformation

Heise et. al., ADA 2002

Skyler JS et. al. Diabetes Care. 2005,28 :1630-35

Studie 1021

Studie 1022

DeFronzo RA, et.al. Diabetes Care. 2005,28:1922-1928

J Rosenstock, et. al.: Ann Intern Med. 2005; 143:549-556

PA Hollander, et. al.: Diabetes Care; 2004; 27:2356-2362

Weiteres Material bei den Referenten